Was sind Adjuvantien und wozu braucht es sie ?

Adjuvantien sind ein wichtiger Bestandteil vieler inaktivierter Impfstoffe − sie verstärken und verlängern die Reaktion des Immunsystems. Die Bezeichnung Adjuvans leitet sich vom lateinischen Verb adjuvare ab, das «helfen» bedeutet.

Die allerersten Impfstoffe, etwa gegen die Pocken, benötigten keine Adjuvantien: Sie bestanden aus vollständigen − wenn auch abgeschwächten − Viren, die ohne Hilfe eine starke Immunantwort im Körper auslösten. Heutzutage enthalten viele Impfstoffe nur noch Bruchstücke der Krankheitserreger. Dies verhindert zwar starke Nebenwirkungen, hat aber den Nachteil, dass das Immunsystem schwächer reagiert.

 

Nur eine Handvoll Adjuvantien bekannt

Eine Lösung für dieses Problem entdeckte der britische Immunologe Alexander Glenny in den 1920er Jahren durch einen Zufall: Er stellte fest, dass winzige Mengen eines unlöslichen Aluminiumsalzes im Impfstoff die Immunantwort verstärkten. Diese Salze (Aluminiumhydroxide und Aluminiumphosphate) − umgangssprachlich auch als Alum bezeichnet − waren die ersten Adjuvantien und sind bis heute ein Bestandteil vieler Impfstoffe (siehe Tabelle unten).

Früher stand das in den Impfstoffen enthaltene Aluminium im Verdacht, Krankheiten wie Brustkrebs oder Allergien auszulösen. Ein solcher Zusammenhang gilt mittlerweile als ausgeschlossen, unter anderem weil die enthaltenen Mengen äusserst gering sind (siehe auch Aluminium in Impfstoffen). Allerdings können nach einer Impfung mit Vakzinen, die Alum enthalten, vorübergehend Nebenwirkungen wie Rötungen oder Schwellungen an der Einstichstelle auftreten. Dies ist ein Zeichen dafür, dass das Immunsystem aktiviert ist.

Über 70 Jahre lang waren Aluminium-Salze die einzigen bekannten Adjuvantien und sie kamen milliardenfach zum Einsatz. Erst in den letzten Jahrzehnten wurde eine Handvoll weiterer Substanzen entdeckt und für den Gebrauch im Menschen zugelassen. Dazu gehören beispielsweise Emulsionen aus Wasser und Öl, die unter dem Namen «MF59» in den saisonalen Grippeimpfstoffen enthalten sind.

Die neuesten Adjuvantien sind die Saponine − aus der Rinde des chilenischen Seifenrindenbaums gewonnene Substanzen. Diese sind Bestandteil des Impfstoffs Novavax gegen SARS-CoV-2, der in der Schweiz als Alternative zu Boten-RNA-Impfstoffen empfohlen wird. Um ihre Wirkung zu optimieren, sind auch Kombinationen von verschiedenen Adjuvantien möglich.

 

Schwierige Suche nach neuen Adjuvantien

Die Suche nach neuen Adjuvantien ist nicht einfach: Denn sie sollen nicht nur das Immunsystem aktivieren, sondern dürfen auch nur wenige Nebenwirkungen haben und müssen im Körper wieder abgebaut werden. Auch eine günstige Herstellung und lange Haltbarkeit sind wichtige Kriterien.

Ein weiterer Hinderungsgrund ist, dass die genaue Wirkungsweise von Adjuvantien immer noch nicht vollständig geklärt ist. Lange Zeit wurde beispielsweise vermutet, dass Alum eine Art Depot-Effekt hat und den Impfstoff langsam freisetzt, so dass die Immunantwort länger ausfällt. Mittlerweile ist klar, dass die Aluminiumsalze noch viel mehr bewirken: Über verschiedene Signalwege alarmieren sie das Immunsystem und locken bestimmte Immunzellen an. Diese stossen dann auf die Bruchstücke der Krankheitserreger und veranlassen die Ausbildung einer spezifischen Immunität. Die Emulsionen oder Saponine scheinen ähnliche Mechanismen zu aktivieren.

Die Forschung befasst sich weiterhin mit neuen Arten von Adjuvantien, um die Wirksamkeit von inaktivierten Impfstoffen zu erhöhen oder um speziell auf die Bedürfnisse bestimmter Bevölkerungsgruppen wie Kinder oder ältere Menschen einzugehen. Übrigens benötigen nicht alle Impfstoffe ein Adjuvans: Kombinationsimpfstoffe gegen Masern, Mumps und Röteln (MMR) enthalten vollständige, abgeschwächte Krankheitserreger, die keine zusätzlichen Substanzen brauchen. Und im Fall der Boten-RNA-Impfstoffe gegen SARS-CoV-2 wirken die mit RNA beladenen Lipidnanopartikel selbst als Adjuvans.

 

 

Beispiele von in der Schweiz zugelassenen Impfstoffen und darin enthaltenen Adjuvantien

 

Impfstoff

Krankheit

Adjuvans

Priorix

MMR (Masern, Mumps, Röteln)

-

Boostrix

DTP (Diphtherie, Tetanus, Keuchhusten)

Aluminiumsalze

Prevenar

Pneumokokken/ Lungenentzündung

Aluminiumsalze

Gardasil

HPV (Humanes Papillomavirus)

Aluminiumsalze

Twinrix

Hepatitis A/Hepatitis B

Aluminiumsalze

Encepur

FSME (Virale Hirnhautentzündung)

Aluminiumsalze

Fluad

Saisonale Grippe

MF59
(Öl-in-Wasser-Emulsion)

SHINGRIX

Varicella zoster (Gürtelrose)

AS01B
(Mischung aus Saponinen und Lipiden)

Novavax

SARS-CoV2

Matrix M-1
(Mischung aus Saponinen und Lipiden)

Comirnaty

SARS-CoV2

-

Spikevax

SARS-CoV2

-

 

Quellen:

C. Reyes et al.: Adjuvants approved for human use: What do we know and what do we need to know for designing good adjuvants? European Journal of Pharmacology (2023)
https://doi.org/10.1016/j.ejphar.2023.175632

B. Pulendran et al.: Emerging concepts in the science of vaccine adjuvants. Nature Review Drug Discovery (2021).
https://doi.org/10.1038/s41573-021-00163-y

J.-D. Masson et al.: Advances on the early cellular events occurring upon exposure of human macrophages to aluminum oxyhydroxide adjuvant. Scientific Reports (2023)
https://doi.org/10.1038/s41598-023-30336-1

K. Kobiyama et al.: Making innate sense of mRNA vaccine adjuvanticity. Nature Immunology (2022)
https://doi.org/10.1038/s41590-022-01168-4